Gonder

Die einstige Kaiserstadt Gonder ist noch heute geprägt von den Bauten ihrer großen goldenen Zeit im 17./18. Jahrhundert. Ein weitläufiger Palastbezirk, umgeben von einer mächtigen steinernen Mauer, dominiert die Stadt. Zwölf Tore gewähren Einlass. Durchschreitet man diese, öffnet sich der Blick auf ein Ensemble von sechs Palästen sowie kleinere Einzelbauten, die auf dem Gelände nahe beieinander liegen. Passagen auf Höhe des ersten Geschosses verbinden die Paläste teilweise. Die Vergangenheit ist präsent: Hier wurde das höfische Leben zelebriert, Intrigen geschmiedet und ausschweifende Gelage abgehalten.

Die große Zeit von Gonder nahm 1635 ihren Ausgang, als der frisch gekrönte Kaiser Fasilidas das Provinzstädtchen nördlich des Tanasees zu seinem Herrschaftssitz erhob. Zurück lag ein blutiges Jahrhundert zermürbender kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und orthodoxen Christen, Instabilität, sowie der Kampf gegen den vordringenden Katholizismus. Mit der neuen Residenzstadt Gonder begann auch eine neue Ära. Seit 1270 hatte es keine permanente Hauptstadt mehr gegeben – Gonder blieb es über 200 Jahre lang.

Bald war Gonder die größte und wichtigste Stadt des Reiches. Handel, Kunst und Literatur blühten und eine große Bautätigkeit setzte ein. Das erste Mal seit axumitischen Zeiten baute man wieder dauerhafte mehrstöckige Häuser aus Stein, ein eigener Stil entstand. Kaiser und Hofstaat entwickelten einen Hang zu Luxus und Prunk. Europäische Reisende, die zu Gast am kaiserlichen Hof weilten, berichteten von einer pompösen Hofhaltung, die ihren europäischen Pendants in nichts nachstand – was man zuhause in Europa jedoch nur schwerlich glauben konnte.

Palastbezirk * Kaiser Fasilidas residierte mit seinem Hofstaat im zentral gelegenen Palastbezirk. Die nachfolgenden Kaiser bauten auf dem weitläufigen Gelände ihre eigenen Paläste hinzu. So entstand über die Jahrzehnte ein dichter Komplex an Repräsentationsbauten samt den dazu gehörigen Nutzbauten.

Den Palast des Fasilidas kennzeichnet sein großer Bankettraum, der rauschende Feste vermuten lässt. Vom ersten Stock herab sprach der Kaiser zum Volk und vom Mittelturm wurden Stadt und Umland ausgespäht – reicht der Blick an klaren Tagen doch bis zum Tanasee. Fasilidas Nachfolger Iyasu I. liebte es prunkvoll. Blattgold, Elfenbein, wertvolle Steine und Gemälde schmückten seinen Palast. Leider fiel diese Pracht 1704 einem Erdbeben zum Opfer. Die darauf folgenden Kaiser verewigten sich mit Bauten, die ihren Eigenarten entsprachen. Der Musik liebende Kaiser Dawit III. baute eine großes Konzerthalle in der Sängerwettbewerbe stattfanden, während sein geselliger Bruder Bekaffa eine riesige Banketthalle von 50m Länge errichtete. Den letzten Palast baute eine Frau, Gemahlin des verstorbenen Kaisers Bekaffa und Mutter des noch unmündigen Iyasu II. Die charismatische und kluge Kaisergemahlin wurde vom Volk geliebt und war für ihre Schönheit weithin bekannt – lautete ihr Thronname doch Mentewab – „wie schön sie ist, ja Kunst“.

Bad des Fasilidas * Am Fuße der Stadt liegt das so genannte Bad des Fasilidas, das eben diesem Kaiser zugeschrieben wird. Der Bau gleicht einem Wasserschloss. Ein zweistöckiges Gebäude steht auf dicken Pfeilern inmitten eines 70 x 40m großen Bassins, schöne alte Bäume stehen rund herum und beschatten die Anlage. In der Regel ist das Bassin leer. Nur zu Timkat, dem Fest der Taufe Ende Januar, wird das große Becken voll Wasser gelassen. Ein unterirdischer Kanal speist das Bassin aus dem nahe gelegenen Fluss. Zuschauer drängen sich auf den Tribünen, wenn der Bischof der Stadt Gonder mit seinem Kreuz das Wasser weiht. Dies ist das Startzeichen für die Kinder und jungen Leute, sich in das geweihte Nass zu werfen. Währenddessen lassen sich die  älteren, weiß gewandeten Gläubigen außerhalb des Backenrandes mit dem heiligen Wasser segnen.

Klosterkirche Debre Birhan Selassie * Die Klosterkirche Debre Birhan Selassie (‚Dreieinigkeit auf dem Berg des Lichts’) ist berühmt für ihre fantastischen Decken- und Wandmalereien, die zu den schönsten des Landes zählen. Insbesondere die Holzbalkendecke, geziert von 80 Engelsgesichtern mit den charakteristischen großen schwarzen Augen, besticht. Auch die Wände des Vorraums der traditionell mit Stroh gedeckten Kirche sind mit farbfrohen religiösen Malereien überzogen. Szenen aus dem Leben Christi werden lebhaft dargestellt, Heilige porträtiert. Der von einer starken Steinmauer umgebene Klosterbezirk wurde unter Kaiser Iyasu I. errichtet, die Klosterkirche 1694 geweiht. Da der Originalbau abbrannte, ist das heutige Gebäude jünger und datiert vermutlich ins 18. Jahrhundert. Die Malereien wurden wahrscheinlich im 19.Jahrhundert erneuert.

Doch nicht nur der Wanddekor, auch der Bau selbst ist bemerkenswert. Entgegen der ortsüblichen Tradition der Rundkirchen ist die Kirche rechteckig und lang gestreckt und folgt damit dem Schema einer axumitischen Basilika.

Weitere sehenswerte historische Paläste und Kirchen liegen im bzw. nahe des Stadtgebiets.

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Unterkunft & Verpflegung: Kulinarisch ist Gonder für seine vielen kleinen Bars bekannt, in denen erstklassiger lokaler Honigwein (‚Tedj’) ausgeschenkt wird. Hotels verschiedener Preisklasse sind vorhanden.

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