Harar

Die ehemalige Sultansstadt Harar im Osten des Landes ist das religiöse Zentrum der Muslime Äthiopiens. Lange Zeit war Harar eine verbotene Stadt, in die kein Ungläubiger seinen Fuß setzen durfte. Erst 1855 gelang es Richard Burton als erstem Europäer, in Verkleidung die Stadt zu betreten. Doch nicht nur in spiritueller Hinsicht hebt sich Harar von anderen Orten ab. Auch Erscheinungsbild und Atmosphäre sind speziell und ganz anders als sonst irgendwo in Äthiopien.

Eine hohe steinerne, fast 500 Jahre alte Mauer umgibt die historische Stadt. Fünf große Tore bieten Einlass, die in neuerer Zeit durch zwei weitere ergänzt wurden. Durchschreitet man diese, findet man sich in einem Gewirr von engen gepflasterten Gässchen wieder, die steil ansteigend und abfallend sich wie ein Netz über den Hügel spannen, auf dem Harar liegt. Wie in orientalisch-arabischen Städten üblich, ist das Stadtgebiet in eine Vielzahl von Nachbarschaften untergliedert, die jeweils über eine kleine Quartiersmoschee verfügen. Über 80 teils auch private Moscheen umfasst die Stadt, inklusive einer Hauptmoschee nahe dem zentralen Hauptplatz. Von diesem führen sternförmig fünf Hauptverkehrsadern zu den fünf alten Stadttoren. Kleine Sackgassen zweigen von den Hauptwegen ab, eingefasst von weiß getünchten Mauern. Sie führen zu Wohnhäusern mit einer nur Harar zueignen Typologie. Rund 100 dieser traditionellen Häuser existieren heute noch und sind nach wie vor bewohnt.

Ein großer offener Raum ist das Herzstück dieser Häuser. Mit Teppichen belegte Diwane (Sitzflächen) unterschiedlicher Höhe gliedern den Raum, auf denen Familienangehörige und Gäste traditionell der Hierarchie folgend Platz nehmen. Die Wände sind dicht behängt mit der für Harar typischen Korbwaren sowie bunt emaillierten Schüsseln und Tabletts. Gleich neben dem Hauptraum befindet sich die Hochzeitsnische. Der Tradition folgend wird nach einer Hochzeit der Eingang zur Nische verhängt und die frisch Verheirateten bleiben eine ganze Woche lang ungestört sich selbst überlassen. Alles zum Leben Notwendige wird über ein kleines Fensterchen ins Innere gereicht.

Daneben weist die Stadt einige schöne, indisch beeinflusste Wohnhäuser auf. Sie stammen aus den Tagen, als Harar der wichtigste Handelsumschlagplatz der Region war und wurden von indischen Kaufleuten errichtet. In einem davon soll der französische Poet Arthur Rimbaud Ende des 19. Jahrhunderts seine Zeit in Harar verbracht haben. Das renovierte Haus ist heute ein Museum, in dem interessante historische Fotografien von der Stadt zur Zeit der vorletzten Jahrhundertwende ausgestellt werden.

Ein weiteres Wahrzeichen Harars ist das Grab des Emir Nur, dem Erbauer der Stadtmauer. Eine charakteristische, ellipsenförmige Kuppel überwölbt das Grab aus dem 16. Jahrhundert. Grob behauene flache Steine ragen wie Stacheln aus der Kuppeloberfläche, die zur Gänze mit der heiligen Farbe des Islam – grüntürkis – übermalt ist.

Emir Nur war der Neffe und Nachfolger des berühmt berüchtigten Imam Grang, der in den 1520er Jahren die Kontrolle über Harar, ehemals Hauptstadt des Sultanats Adal, übernahm. Mit Harar als Basislager führte Grang jahrzehntelang blutige und zerstörerische Raubzüge gegen das christlich-orthodoxe Kaiserreich im Hochland, bis er 1543 in einer Schlacht nahe dem Tanasee fiel.

Heute ist Harar hingegen eine offene, farbfrohe und lebendige Stadt, die von Toleranz geprägt ist. Eine Vielzahl kleiner Bars findet sich sowohl in der muslimischen Altstadt, als auch in der christlichen Neustadt, die sich vor den Toren des alten Harar ausbreitet. Daneben ist die Stadt Standort einer der großen Brauereien des Landes und im umgebenden fruchtbaren Hochland wird erstklassiger Kaffee angebaut.

Auch unter Äthiopiern bekannt ist eine kuriose Touristenattraktion, die in Harar bereits seit rund 60 Jahren etabliert zu sein scheint. Nach Einbruch der Dunkelheit füttern so genannte Hyänenmänner wilde Hyänen vor den Toren der Stadt. Derzeit gibt es zwei solcher Männer, die die normalerweise sehr scheuen Raubtiere auf Tuchfühlung und aus der Hand mit Fleisch verköstigen.

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Übernachtung & Verpflegung: Die interessanteste Art und Weise, in Harar zu übernachten, ist in einem der traditionellen Wohnhäuser in der Innenstadt, das privat an Touristen vermietet wird. Da es sich um ein Privathaus handelt, ist kein Restaurant vorhanden, Frühstück wird aber serviert. Daneben gibt es in der Stadt einige Hotels durchschnittlichen Standards und genügend Restaurants, Cafés und Bars.

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